45 Sekunden. Andreas Matlé und Kim Bui über die Biographie der ehemaligen deutschen Leistungsturnerin 

Mittwoch, 10.5. – 19 Uhr
Sport- und Kulturhalle Allendorf/Lahn
Untergasse 34
35398 Gießen

 

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Eintritt: 8 € |6 € erm. | LZG-Mitglieder 4€

Moderation: Martina Knief (HR)

Veranstaltungsbericht:

Die Lesung mit der ehemaligen Spitzenturnerin Kim Bui und dem Autor Andreas Matlé, die gemeinsam die Biographie der Leistungsturnerin herausgebracht haben, fand am 10.5.23 standesgemäß in einer Turnhalle statt. Martina Knief, Sportreporterin beim Hessischen Rundfunk, führte mit Witz und Sportmetaphern durch den Abend in der Sport- und Kulturhalle Allendorf/Lahn. Das zahlreich erschienene Publikum, bunt zusammengesetzt aus alt und jung, hatte eine große Gemeinsamkeit: die Leidenschaft für den Sport, insbesondere das Turnen.  Mit großer Begeisterung lauschten viele Nachwuchsturner*innen den Worten von Kim Bui, als sie über ihre Sportkarriere sprach.

Einleitend erzählten die beiden die Entstehungsgeschichte hinter dem gemeinsamen Buchprojekt. Die Inspiration für das Projekt stammte von Matlé, dessen Interesse an der Leistungsturnerin durch einen Zeitungsartikel geweckt wurde. Sie selbst fand sich eigentlich zu jung, um eine Biographie zu veröffentlichen, ließ sich aber dennoch von dem Autor überzeugen. Schließlich setzten sie sich vier Tage zusammen und redeten intensiv über Buis Karriere. Matlé sorgte für die Literarisierung und schrieb einen ersten Entwurf. Die Turnerin las die Entwürfe kritisch Korrektur und nahm einige Anpassungen vor, verriet der Autor, über das finale Produkt sagte Bui jedoch: »Andreas hat meine Erlebnisse und Gedanken so zu Papier gebracht, wie ich es getan hätte, wäre das Schreiben mein Metier«.

Im Verlauf des Abends lasen Kim Bui und Andreas Matlé abwechselnd Passagen aus dem Buch vor. Die Turnerin begann mit einem Kapitel, welches eines der zentralen Themen des Buches behandelt: Rassismus. Als Kind vietnamesischer Geflüchteter durchzogen rassistische Erfahrungen ihren Alltag, so auch im Sport. Gleichzeitig war das Turnen für sie ein Moment der Integration, denn das Kinderturnen war eine ihrer ersten Aktivitäten außerhalb der Familie, in welcher nur vietnamesisch gesprochen wurde.

Auch wenn das Buch den Leistungssport nicht beschönigt, ist der Tenor der Erzählung die Faszination und Begeisterung für das Turnen. Im nächsten – von Matlé gelesenen – Abschnitt, wurde dies sehr deutlich. Turnen ist für Bui ein kindliches Vergnügen, was sie tagtäglich in Staunen darüber versetzt, was der eigene Körper leisten und durch kontrollierte Grenzüberschreitung immer neue Elemente erlernen kann. Sie liebt das Adrenalin, was beim Turnen ausgeschüttet wird und summiert, dass man wohl eine gewisse Risikofreudigkeit besitzen muss, um im Turnen Erfolg zu haben. Weshalb Turnen ihr Lieblingssport sei? – »Es ist ein komplexer, dynamischer, eleganter und kraftvoller Sport, einfach der beste Sport der Welt.« Die Begeisterung, mit der sie über das Turnen schreibt und spricht, ist ansteckend.

Die weiteren gelesenen Ausschnitte erzählen von den Schattenseiten des Leistungssportes. In dem Buch spricht die Turnerin erstmals öffentlich über ihre Bulimieerkrankung. Der Leistungsdruck, der im Sport aufgebaut wird, hat sie und viele andere in Essstörungen getrieben. Die Pubertät und die damit einhergehenden Veränderungen des Körpers sehen viele Trainer*innen nur ungern und animieren die Mädchen, die täglich gewogen werden, doch etwas abzunehmen, um bessere Leistungen zu erzielen. Bui versuchte zunächst über Diäten ihr Körpergewicht zu reduzieren, die gewünschten Ergebnisse blieben aus, weshalb sie das Erbrechen von Nahrung als einzigen Ausweg sah. Jahrelang führte sie mit ihrer Krankheit im Geheimen ein Doppelleben, bis sie schließlich von einer Trainerin auf ihre Essstörung angesprochen wurde und sie sich Hilfe bei einer Psychotherapeutin suchte. Sie richtet einen klaren Appell an alle Nachwuchsturner*innen: »Sprecht mit jemandem über eure Gefühle, wenn es euch schlecht geht, sucht euch professionelle Hilfe«.

Im Anschluss an die Lesungen hatte das neugierige Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen. So erfuhren wir, dass Buis Lieblingsgerät der Stufenbarren ist, sie 50 bis 60 Turnanzüge zu Hause hat und dass sie immer noch einen Spagat kann, was sie dann sogar direkt vorführte. Wir bedanken uns an dieser Stelle erneut bei Kim Bui und Andreas Matlé für die Lesung und die Einblicke in die Sportwelt sowie bei Martina Knief für die Moderation.

von Melanie Kuhnert

 


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